Franzen, Peter (1873-)

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Peter Franzen (14. Januar 1873-)

Als der Krieg erklärt wurde, da hieß es, daß von Frankreich nach Rußland über Dänemark !!! Autos mit Gold unterwegs seien. Um diese abzufangen wurde in jeder Gemeinde ein Wachtdienst eingeführt.

Die Landstraßen waren mit Wagen, Eggen usw. abgesperrt und 2 Mann standen Posten, Tag und

Nacht. Da die ausgebildeten Leute größtenteils sofort eingezogen waren, mußten Nichtgediente

mithelfen. So war mein erster Kriegsdienst “Postenstehen”. Ich stand mit H.P. Hansen zusammen,

beide nicht ausgebildet, aber beide mit dem festen Vorsatz im gegebenen Falle unsere Pflicht zu erfüllen. Wir hatten nur ein Militärgewehr vom Kriegerverein (Modell  1871) und als Mithilfe ein Jagdgewehr.

Bei uns älteren Leuten war keine Hurrastimmung – denn wir dachten im Voraus an die Blutopfer, die von den jungen Leuten gefordert werden würden. Kein Mensch aber dachte daran, daß die Opfer so ungeheuer werden würden.

Unter den jüngeren Leuten war eine große Begeisterung. Von  meinem Neffen, der noch nicht dienstpflichtig war, – aber sich freiwillig meldete, weiß ich, wie ungeduldig sie waren und garnicht abwarten konnten bis sie eingezogen wurden.

Auch für uns ältere ungediente Leute sollte die Stunde kommen, daß wir eingezogen wurden. Als ich an der Reihe war, da kam einmal wieder die Gefahr, daß England Dänemark vergewaltigen würde, wie der Feindbund ja auch sich einen Dreck um Griechenland kümmerte, seine Truppen dort landete, um das letzte Stück von Serbien noch zu retten. So haben wir auch schon unsere Heimat als Kriegsschauplatz. Es blieb aber – Gott sei gedankt – ein Gerücht

Ich wurde am 7. Dezember 1915 eingezogen und kam zum Ers. Btl. Inf. Rgt. 75 in Hamburg. Zu Hause

ließ ich meinen alten Vater, meine Frau und meine Tochter. Auf eine Rente habe ich verzichtet, auch als man mich aufforderte den Schein nach Hause zu schicken und von dort aus die Rente zu beantragen.

Unter all den Kameraden war ich allein aus unserer Gemeinde. Wir wurden ausgebildet und dann kam ich am 14.3.1916 zum Landsturm Bataillon Münster, welches als Standort Flensburg hatte. Dieses Batl. hatte die Gefangenen Bewachung. Diese Versetzung hatte ich unserem Amtsvorsteher zu verdanken, denn er hatte mich als Wachtmann nach Klein Wiehe angefordert, damit ich auch ein wenig auf die Betriebe Acht gäbe, deren Besitzer im Felde standen.

Mit 5 Mann holten wir aus dem  Gefangenenlager Baystrup (Bajstrup, RR) 150 Gefangene, die auf den Landkreis Flensburg verteilt wurden.

Dieser Transport bestand in der Hauptsache aus Sergeanten und Unteroffizieren. Sie waren nicht zur Arbeit verpflichtet, hatten sich aber freiwillig auf Landarbeit gemeldet, da es ihnen im Lager zu langweilig wurde. Diese Leute waren durchweg intelligente und auch arbeitswillige Menschen.

Auch waren 5 Deutschrussen darunter, die die Vergünstigung hatten, daß sie frei umgehen durften.

Hier in Kleinwiehe waren 20 Russen. Untergebracht waren sie im Hause von Otto Jensen, in einem verschlossenen Raume.

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Ein Wachmann war mit der Beaufsichtigung vertraut. Er wurde bei den Landleuten reihum verpflegt.

Wir hier waren Thimsen und ich. Wir blieben aber mit der Verpflegung in unserem eigenen Hause,

was uns einmal beinahe Arrest eingebracht hat.

In die Wirtschaft kam zufällig ein Stabsarzt. Die Russen meinten, es sei ein Offizier, der das Lager besichtigen wollte. Thimmsen und ich, beide waren wir in unserem Hause. Die Russen wußten sehr

wohl, daß wir bestraft werden würden wenn man uns erwischte. Schnell kam ein Russe und sagte:

” Wachtmann, schnell, kommen ein Offizier in Wirtschaft”.

Die Russen kamen zur Arbeit dorthin, wo die männlichen Kräfte im bunten Rock steckten. Wir waren froh, daß wir Russen hatten, denn das waren gegen Engländer, Franzosen, Belgier, Serben, Rumänen und Italienern gesehen die zuverlässigsten Arbeiter.

Am Morgen erlöste der Wachtmann die Gefangenen aus ihrem abgeschlossenen Raum. Die Russen wurden auf die einzelnen Arbeitsstellen verteilt. Am Tage wurde ihre Arbeit von den Wachtmanschaften kontrolliert. Am Abend wurden die Russen wieder von den Arbeitsstellen abgeholt und (in) ihr Lager gebracht.

(Sie haben es bei ihren Arbeitgebern gut gehabt – und die Arbeit war auch nicht so schlimm und brennend. Aus manchen Briefen der (im) Felde weilenden Stellenbesitzern ersieht man das. Da steht manch guter Rat: Wenn der Russe nichts mehr zu tun hat, dann laß ihn mal Holz hauen).

So langsam kam auch die Not zu uns aufs Land. Unser Brotgetreide wurde beschlagnahmt und mußte abgeliefert werden. Da wurde das Brot knapp und um es zu strecken mußten dem Roggen Kleie und Kartoffeln beigefügt werden.

Wir als Wachtmannschaften wurden etwa wöchentlich von einem Kontrollunteroffizier und einmal monatlich vom Kontrolloffizier, vom Feldwebel oder Komp. Führer kontrolliert. War ein Gefangener aus dem Lager entwichen, so wurde der Wachtmann bestraft. War es das erste Mal, so gab es 5 Tage Kasten. Und dieses Pech hatten Thimmsen und ich auch. (Gab es wohl ein Lager aus dem kein Gefan-

gener entwichen ist?) Nacheinander saßen wir in  Jarplund unsere  5 Tage bei Wasser und trockenem Brot ab; ich vom 2.- 7. Januar 1918. (Jarplund war das Zentralgefangenenlager für den Landkreis Flensburg).

Die Russen konnten sich im Laufe der Zeit gut mit den Kleinwiehern verständigen, besonders gut mit den Kindern. Von denen bekommen die Russen auch zu hören wenn an den Fronten besondere Kämpfe stattgefunden hatten. Dann kamen sie zu uns Wachtleuten: Wachtmann, Front große Ruchzuch !? (damit meinten großes Schießen). “Krieg bald kaput ?”

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Stempel: “Inspektion der Kriegs-Gefangenen Lager IX A. K.”

Sie schrieben fleißig nach Hause – von den Russen in Kleinwiehe konnten 2 nicht schreiben – und bekamen öfters aus ihrer Heimat Pakete geschickt. In denen war zur Hauptsache getrocknetes (gedörrtes) Brot, Tee und Tabak. Sie drehten fleißig Zigaretten. Obwohl die Gefangenen an ihren Arbeitsstätten satt zu essen bekamen, kochten sie doch an jedem Abend Tee und knabberten ihr geschicktes Brot dazu.

Im Sommer 1917 wollte ich beim Förster in Lindewitt Holz kaufen. Auf dem Rückwege sah ich einen Soldaten im Holz der emsig Brombeeren pflückte. Er war mir unbekannt – ich  vermutete einen Deserteur. Ich ging auf ihn zu, überraschte ihn und forderte ihn auf mitzukommen. Vom Amtsvorsteher wurde er verhört ehe er nach Flensburg zurückgeschickt wurde. Er war ein Deserteur von den 86’ern in Flensburg.

Und dann war plötzlich die Revolution da. Auch im Landsturm Bataillon wurden die Offiziere abgesetzt. Der Feldwebel wurde zum Führer gewählt.

Schon seit dem Frieden von Best Litowsk (Brest Litowsk) 1917 konnten sie die Zeit nicht abwarten, daß sie zur Heimat entlassen würden. Natürlich sehnten sie sich auch nach Frau und Kind.

Für sie endlich, im November 1918, brachten wir sie nach Flensburg. Von da kamen sie zur (zum) Transport nach Rußland. (Und mancher ist in Schleswig Holstein geblieben, hat sich verheiratet und will mit seiner Muttererde nicht mehr tauschen).

Am 18.11.1918 wurde ich aus dem  Heeresverbande entlassen.

Peter Franzen

Fra: Olof Berg: Klein Wiehe / Lille Vi 1914-1918

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