Carstensen, Carsten (1885-)

soldaten_kleinwiehe_bd_2_415
Carsten Carstensen 2.8.1885-

Als der Krieg ausbrach war ich d.u. dauernd untauglich. Das wäre nicht so schlimm geworden, aber der Krieg machte uns auch alle arbeitslos. Die Mobilmachung hatte alle Bautätigkeit lahmgelegt. Ich mußte mich nach einem anderen Beruf umsehen, damit ich meinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Ich fuhr nach Altona und kam für ¾ Jahr an der Straßenbahn an. Dann arbeite ich 5-6 Wochen auf dem Gaswerk. In der Zeitung las ich, daß in Nordholz bei den Zeppelinhallen Polierer gesucht wurden. Ich fuhr direkt hin und wurde auch für den Bau der Luftschiffhallen als Kolonnenführer (Polierer) angenommen. Wir bauten die Halle „Kora“. In der Nachmusterung wurde ich K.V. geschrieben, aber wegen der Dringlichkeit der Arbeiten für ¾ Jahr reklamiert.

Wir lagen und arbeiteten auch mit der Marine zusammen. Dieses Leben verlief vollständig reibungslos. Wir konnten feststellen, wie scharf die Zensur arbeitete. Jeden Tag erlebten wir das Treiben auf dem Platz – in der Flensburger Nachrichten – die ich mir hielt – war darin nie etwas zu lesen. Wir hatten starke Verluste. In meiner Zeit gingen 5-6 Zeppeline zu Bruch und 1 Fokker der Fliegerstation stürzte ab.

Später war Nordholz einer der wichtigsten Luftschiffhäfen für die Flüge gegen England.

Als die Arbeit alle war – die Hallen standen fertig da – wartete ich auf die Einberufung. Um nicht in den Ruf der Drückebergerei zu kommen, meldete ich mich von Bremerhafen nach Altona militärisch ab. Ich besuchte meine Eltern noch einmal in Kleinwiehe, gab aber meiner Frau den Auftrag mich bei Gefahr des Einziehens sofort telegrafisch zu benachrichtigen, weil ich mich nicht von Altona nach Flensburg militärisch abmelden wollte.

Die Einberufung kam aber nicht. Da wollte ich, um Geld zu verdienen, ins Aufbaugebiet von Ostpreußen. Mein Ziel war Allenstein. Ich fuhr über Berlin und sprach beim Verband vor; die wiesen mich nach Königsberg. Leider kam ich 2 Stunden zu spät – – ich hätte Arbeit beim dortigen Luftschiffhallenbau finden können.

So kam ich nach Lyck, wo ich bei einem Mühlenbau arbeitete; die Mühle wurden auf Staatskosten wieder aufgebaut. Da diese Bauten Notstandsarbeiten waren, wurde ich nochmals 5 Wochen reklamiert.

Da rief mich der Stellungsbefehl nach Lötzen. Ich wollte gerne noch einmal nach Altona und fuhr auf eigene Kosten dahin. Am 2. Aug. 1916 stellte ich mich in Lötzen und kam von da nach Osterrode zum Inf. Regt. 18

soldaten_kleinwiehe_bd_2_419

soldaten_kleinwiehe_bd_2_420

II. Rekr. Depot, Ersatz Batl.
Ich war bestimmt kein begeisterter Soldat, denn ich war durch die Politik gegen das Militär eingestellt. Daß das Leben nicht angenehm war kam auch daher, daß ich mich unter lauter 18 jährigen befand. In den 7 Wochen die ich hier ausgebildet wurde fiel mir das Lernen nicht schwer; ich war recht gelenkig – nur war ich ein herzensschlechter Schütze.

Eines hatte ich mir vorgenommen: Du tust deinen Dienst – aber freiwillig tust du nichts.

Einmal bin ich doch davon abgewichen, und gleich zu Anfang meiner Soldatenzeit. Am 17.9. 1916 sollte es zur Inf. Ers. Truppe nach Warschau gehen. Da 75 Mann angefordert waren – wir nur 78 Mann im Zug waren, da habe ich mich freiwillig nach Warschau gemeldet.

soldaten_kleinwiehe_bd_2_421

Wir kamen nach Jablonna, wo das Rekruten Depot in einem früheren russischen Lager untergebracht war. Es waren Holzbaracken, deren Ritzen mit Moos verstopft waren.
Unser Osterroder Ausbildungspersonal kehrte wieder nach Deutschland zurück.

Ich gehörte nun zur 4. Kompagnie, IV. Batl. Inf. Ers. Truppe Warschau. Unsere Ausbildung war ganz feldmäßig. Wir machten viele Nachtübungen. Manchen Marsch machten wir nach dem nur 15km entfernten Warschau, aber immer kehrten wir an der Stadtgrenze um. Ich wäre auch nie reingekommen, wenn ich nicht einmal mit einem Offizier-Stellvertreter und 7 Kameraden nach Warschau zum Zeugverladen kommandiert worden wäre.

Ich hatte Urlaub eingereicht, der mir auch zugesagt worden war. Da ich aber schlecht geschossen hatte wurde er mir verwehrt; angeblich, weil keine Gewähr für rechtzeitige Rückkehr gegeben war.

Am 8.11. 1916 sollten wir ins Feld. Unsere Kompagnie stellte auch das Begleitpersonal. Die Fahrt ging an Wien vorbei und dann auf eingleisigen Strecken durch Ungarn nach Siebenbürgen. Manchmal mußten wir endlos liegen, um einen entgegenkommenden Zug abzuwarten. Das machte die Fahrt sehr langweilig. Dazu zwickte der Hunger. Der Magen knurrte. Zwar hatten wir Verpflegung miterhalten, die hatten wir aber – ohne uns es einzuteilen – ohne Nachdenken verzehrt. Die Rache war da – wir hungerten ganz entsetzlich.

soldaten_kleinwiehe_bd_2_423

soldaten_kleinwiehe_bd_2_424

Endlich kamen wir in Kronstadt an und waren wieder bei Feldküchen. Wir wurden ausgeladen – unser Transportführer – der Hauptmann aus der Inf. Ers. Truppe – fuhr nach Jablonna zurück. Uns führte ein Leutnant nun zum neuen Regiment. Der Marsch ging quer durchs Gebirge – die transsilvanischen Alpen -. Quartier fanden wir in verlassenen Bauernhäusern. Alle Bewohner waren fort. Wir kamen in die Reserve Stellung, fanden unsere 187 Division und landeten bei der 3. Komp. des Königl. Preußischen Inf. Regimentes Nr. 187.

Es kamen zu viele Eindrücke auf uns. Wir Flachlandmenschen standen im Gebirge; die Berge stiegen bis 1900m hoch. Dazu waren uns die Kameraden fremd – auch in der Ausrüstung. Sie trugen Gebirgsstiefel und Handstöcke – wir standen da wie wir auch im polnischen Sand marschiert waren.

Nach 6 Tagen zogen wir zum ersten Mal in Stellung. Ohne die Kälte wäre sie fein gewesen. Da konnte man sich durch Trampeln die Füße warm halten. Manchem Schlafenden sind die Füße oder auch nur die Zehen erfroren.

Wir waren ganz auf unsere Bagage angewiesen. Unser Brennholz mußten wir uns in den Tälern, 500m tiefer belegen, holen. Das war eine mächtige Arbeit.

Abgelöst wurden wir durch Österreicher. Die nahmen den Krieg nicht so militärisch. Sie bauten sich sofort Holzbaracken. Die Kameradschaftlichkeit der „Schnürschuh“ war groß. Wir bekamen sofort von ihnen warmes Essen ab. Damit waren sie überhaupt besser versehen. (Man darf aber nicht vergessen, daß die Österreicher auf Deutschlands Kosten so gut verpflegt wurden, nur, damit sie bei der Stange blieben. Ich erinnere an die Heimatpakete der Ukrainebesatzung 1918, die alle nicht die Heimat erreichten, da alles unterwegs von den Österreichern beschlagnahmt wurde). Wir lagen in unseren Zelten bei 30° Kälte, während die Österreicher in ihren Holzbaracken netter hatten.

10 Tage brachten wir in der Res. Stellung bei wenig Dienst zu. Dann ging es los. 8-14 Tage sind wir herumgewandert, bis wir nach Langendorf kamen. Es hieß wohl nicht so – vielleicht war es eine Übersetzung des ungarischen Namens; aber 7km war das Dorf lang.
Zum Weihnachtsfest sagte unser Leutnant, ein Lehrer Diedrich aus Bremen: „Im nächsten Jahr sind wir daheim“. Es kam auch das Friedensangebot und die Hoffnung war groß. Es sollte aber für uns doch noch anders kommen.

soldaten_kleinwiehe_bd_2_427_2
In den rumänischen Waldgebirgen

soldaten_kleinwiehe_bd_2_428

soldaten_kleinwiehe_bd_2_430
Rückzugstraße

Unser Leutnant war ein feiner Kerl, der aber den jugendlichen Draufgängermut nicht mehr hatte. Für etwas Besonderes wurde er nicht gebraucht – wir aber hatten in der Komp. dadurch Druck.

Unsere Verbindung mit der Heimat war schlecht. Unsere Weihnachtspost kam erst zwischen dem Fest und Neujahr.

Meine Frau schickte zweimal ein Bild von sich und dem Kind an mich ab – aber eines ist nur angekommen. Verwunderlich war es aber nicht – wieviele Esel, die die Sachen trugen, sind wohl dort abgestürzt?

Es kam unser Angriff gegen die Russen; Richtung Dabrutscha. Auf dem 1640m hohen Berg Sandor hatten sich die Russen stark verschanzt. Artillerie und Minenwerfer trommelten aber den Berg zusammen. Unsere Komp. ging als Nachhut hinter den stürmenden Kompagnien her. Wir hatten Zeit uns umzusehen. Die toten Russen lagen dort noch mit den Essentöpfen in der Hand. Die Russen, eine MG Komp., hielt fein stand. Sie sprangen aus ihren nur knietiefen Gräben sofort zu. Wir Hinterherziehenden hatten auch Verluste. Vergeltungsgranaten von russischer Seite kosteten bei dem steinigen Grund uns 8 Tote.

Die Deutsche Offensive blieb stecken.

Wir kamen nach hinten und haben dann nicht mehr an größeren Kampfhandlungen teilgenommen. Trotzdem hatten wir viele und schwere Verluste durch Erfrieren. Wir wurden abgelöst und sollten an die Westfront.

Wir marschierten ab nach Kronstadt und dann weiter nach Ungarn, weil die Strecken überladen waren. Endlich bekamen wir einen Transportzug, der uns aber sehr sehr langsam nach Deutschland brachte. Auf dem Transport schon – wir saßen gerade beim Skat, – bekam ich dicke Beine. Ich hatte die schönste Nierenentzündung. Ich mußte aber erstmal mit. Wir kamen nach Opzeln und dann ging es quer durch Süddeutschland nach Saarburg, wo das Regiment für den Westen gedrillt wurde. Ich mußte aber am 4.3.17 ins Lazarett, Res. Laz. Saarburg.

4.3.-20.3.17    Etappen Laz. IV Saarburg
20.3.-20.3.17    Etappen Laz. III Saarburg
30.3.-31.3.17    Lazarett-Zug
31.3.-2.6.17    Res. Laz. III, Königshofschule in Heidelberg.
2.6.-17.7.17    Res. Laz. XVII, Zementfabrik Leimen

Das letzte Lazarett war ein Erholungslazarett. Wir waren untergebracht in einem Heim für Arbeiter. Wir legten die Probe ab, ob wir schon arbeiten konnten. Am Vormittag war Arbeitszeit-; der Nachmittag war frei. Wir hatten eine sehr gute ärztliche Behandlung. Außerdem war die Kirschenzeit.

Da ich nicht wieder ins Feld brauchte – wer 3 Monate nierenkrank gewesen war, durfte nicht wieder ins Feld – kam ich am 18.7.17 in die Genesenden Komp., 5./I. Ers. Btl. Inf. Regt. Graf Bose, 1. Thüring. Nr. 31 nach Altona.

Ich bekam meinen Erholungsurlaub und kam dann am 17.8.17 nach Eltern (Lost. Inf. Btl. IX / 43, Eltern). Vorher nahm man mir aber meine Gebirgsuniform ab.

soldaten_kleinwiehe_bd_2_433
Schon am 19.8. 1917 kamen wir nach Mühlheim an der Ruhr. Wir lagen zeitweilig an der holländischen Grenze, hatten aber keinerlei Arbeit. Von Mühlheim aus kam ich dann, da ich am 4.8. 1917 g.v. Heimat geschrieben worden war, auf Arbeitskommando. Mal waren wir in Essen, mal in Düsseldorf. Während wir im ersten Ort „Entlade Kp.“ waren, arbeiteten wir in Düsseldorf im Baugewerbe. Wir bekamen vom Militär Löhnung und Essen, und die Fabrik gab 0.50M Zulage in der Stunde.

Die schlimmste Arbeit war in der „Guten Hoffnungshütte“. Da mußten wir Eisenerz abladen. Unser Kommando lag in einem Gefangenenlager mit Kriegsgefangenen und internierten Soldaten der griechischen Armee gemeinsam hinter Draht – wenn wir auch in verschiedenen Baracken lagen.

Da lernte man das „Kapital“ kennen! Im August 18 kamen wir als Bewachung an die holländische Grenze. Wir lagen in Hasselt oder in dessen Nähe. Es wurde sehr viel geschmuggelt. Der Staat erlaubte es und wir Wachtsoldaten unterstützen es – denn jedes geschmuggelte Pf Zucker half uns in unserer Not. Mit der Bevölkerung standen wir uns sehr gut. Die Leute dort verdienten mit dem Schmuggel sehr viel.

Dann kam der Rückzug über Maas. Um uns zu retten, marschierten wir quer durch den holländischen Zipfel – die belgischen Bauern, die unsere Bagage fuhren, mit uns. Wir mußten in Holland unsere Waffen abgeben, die an der Stelle haushoch geschichtet lagen. Man ließ uns auf der anderen Seite aber wieder nach Deutschland rein. Den Holländern war an uns wohl nicht so gelegen. Wir trafen auf dem Rückmarsch sehr viele belgische Gefangene, die ihrer Heimat entgegen marschierten. Eben vor der deutschen Grenze bat mich ein holländischer Ortspolizist, ihm meinen Lederhelm als Andenken zu lassen. Das hab‘ ich auch getan.

In Rheydt wurde ich von unserem Stabsarzt fußkrank geschrieben und bin nach Hause gefahren.

Am 21.11.18 wurde ich von meinem Batl. nach Altona entlassen. Am 22.11. meldete ich mit bei der 3. / E 31 und wurde am 18.1.19 mit 50M Entlassungsgeld „1 Rock, Hose, Unterhose, Hemd, Strümpfe, Schuhe, Mütze, Halsbinde, Unterjacke“ zum Bez. Kdo. I, Altona vorläufig entlassen.

Der Soldatenrat:
Siegel S-Rat                        gez. Holzen
8. Kp. E. 31, Altona
Gez. Schünemann, Komp. Führer.

Im Januar bekam ich meinen Endbescheid.

„nicht mehr meldepflichtig, da Landsturm am 10.1.19 aufgehoben. A.V. Bl. 12/19

Der Krieg war für mich aus!

2.8. 1916                eingezogen II. Rekr. Depot Ers. Btl. I.R. 18
17.9. 1916                Inf. Ers. Truppe Warschau; in Marsch gesetzt.
18.9. 1916-8.11. 1916            4. Komp. IV. Btl. Inf. Ers, Tr. Warschau
8.11. 1916-4.3. 1917            3./Inf. Rgt. 197, 187. Div.
17.11. 1916-26.11. 1916        Gebirgskämpfe Predeal-Bodja Gebiet.
27.11. 1916-22.12. 1916           “              “        Ojtoz-Gebiet.
23.12. 1916-7.1. 1917            Offensive im Berezcker Gebirge. Ojtozpaß
8.1. 1917-4.2. 1917            Stellungskampf zwischen Putna-Slanie Tal.
4.3. 1917-20.3. 1917            Etappen Laz. IV Saarburg
20.3. 1917-30.3. 1917            “              “      III “              “
30.3 19.17-31.3. 1917            Lazarett Zug.
31.3.-2.6. 1917            Res. Laz. III, Königshofschule in Heidelberg.
2.6.-17.7.17             “       “     XVII, Zementfabrik Leimen
18.7. 1917                5. Genes. Komp. I. Ers. Btl. I. Rgt. Graf Bose (1. Thüring.) No 31.
17.8. 1917                Ldst. Inf. Batl. IX /43 Eltern.
4.8. 1917                Btl. Arzt. Befund gv Heimat
19.8. 1917-14.1. 1918            2. Komp } 42. Ldst. Inf. Ers. Btl.
15.1. 1918-3.8. 1918            1.     ”      } VII. 192 Mühlheim 70. Ruhr.
früher 1. Ldst. Inf. Ers. Btl. IX /43 Altona
13.5. 1918                Dienstfähigkeit g.v. 2 Monate.
3.8. 1918    Vfg. Stellv. Gen. Kdo. VII. AK. Abt. I a N° 18586 vom 11.7 19.18 I a 17196 zum Landst. Inf. Btl. Hagen VII / 52
21.11. 1918    Verfügung vom 19.11.18 nach Altona entlassen vom Ldst. Inf. Btl. Hagen 3. Komp.
22.11. 1918    3. Kp. E. Zi
18.1. 1919    entlassen
10.1. 1919    Meldepflicht für Landsturm aufgehoben. Armee Verordnungs Blatt 12/19

Carsten Carstensen

Skriv et svar

Din e-mailadresse vil ikke blive publiceret. Krævede felter er markeret med *

Sønderjyderne og Den store krig 1914 – 1918