Stelzer, Johannes Christian (1895-1915)

Senest ændret den 22. oktober 2019 23:00

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Kriegsfreiwilliger Johannes Stelzer geboren 1.6. 1895, Klein Wiehe, Kreis Flensburg.

Johannes Stelzer trat zu Kriegsanfang als Kriegsfreiwilliger bei den 86ern in Flensburg ein. Nach recht kurzer Ausbildung ging er schon ins [Randbemerkung: 15.9.14] Feld. Das war Anfang 1914 noch eine sehr lange Reise. 14 Tage gebrauchte[!] der Transport, ehe er sein Ziel erreichte. Die Fahrt ging über Löwen, Lüttich, Brüssel zum Regiment. Ausgeladen wurde der 1000 Mann starke Transport, der hauptsächlich aus Studenten, Schülern, Seminaristen, jungen Handwerkern und Bauern bestand, in Vassens am 30.9.1914.

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Das Regiment 86 lag in seinen Stellungen vor Moulin sous Touvent. Da hatte es sich nach dem Rückzug von der Marne festgesetzt und wehrte die siegessicheren Anstürme der Franzosen ab. Ach – und die Stimmung der Truppe war so schlecht; so sehr drückte der Rückzug. Man hatte ganz die Hoffnung auf Sieg aufgegeben. Dahinein kamen nun die 1000 jungen Menschen mit ungebrochener Kriegsbegeisterung, viel Humor und einer völligen Ahnungslosigkeit dem Kriege gegenüber. Die jungen Kriegsfreiwilligen wurden von den „alten Leuten“, die ja nicht allzuviel älter waren, aber seit Anfang August den Krieg kannten, nicht für ganz voll angesehen. Kriegsmutwillige sagten sie. Der Ersatz hatte ja durch seine kurze Ausbildungszeit vom militärischen Schliff (der ja in 2 Jahren sonst angeeignet wurde) herzlich wenig Ahnung. Die Offiziere des Regimentes sagten: Von Militär keine Ahnung aber großer Eifer und guter Wille steckt in ihnen – und das ist mehr wert. Den Eifer und den Willen haben die alten Leute beinahe verloren, den Schliff werden die jungen Leute sich bald aneignen.

Die Stellung des Regimentes lag inmitten von Rübenfeldern. Unterstände gab es noch nicht. Man schlief auf der Grabensohle, oder, was vornehmer war, baute sich in die Seite der Grabenwand ein Fuchsloch oder Kaninchenloch.

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Johannes Stelzer sagt in einem Brief: “Wir schlafen auf offenem Feld“. Dann grub sich die Gruppe zusammen ein Loch. Die Beine aber blieben im Graben und wurden nachts zu Eisbeinen, die am Morgen erst wieder aufgetaut werden mußten. Die Stellung war überaus ruhig geworden; ja, man deckte sogar die Gräben tagsüber mit Rübenblättern zu um ihn der Sicht des Feindes zu entziehen. Die französische Artillerie schoß nur auf deutsche Artillerie und ließ die Infanterie im Graben in Ruhe. Man konnte sich sogar erlauben, abends die Feldküche bis an den Graben heranzuziehen. Zum Feinde sicherten dann schwache Patrouillen. Die Reservekomp. lag dicht hinter der Front am Hange der Waldschlucht nördlich von Moulin.

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Am 6.-7.10.1914 in der Nacht löste die 6. Komp. Füs. Rgt. 86, bei der Johannes Stelzer stand, das Reserve Infanterie Regiment 36 bei der Qennevières Ferm nördlich Moulin ab. Die Ferm, ein einzelliegender Bauernhof lag 200 meter vor der eigentlichen Stellung. So hatte von den 36ern eine Feldwache drin gelegen.

Die 86er, die sehr bauwütig waren, wollten die total zerschossene Ferm in das Grabensystem hineinziehen. Es unterblieb aber – und verhalf dem Rgt. 86 zu seinem schwarzen Tag am 6.6. 1915, der Ihm [leere Stelle] Mann kosten sollte.

Von der 6. Komp. kam die Feldwache in die Ferm. Wie sah die aus. Sie war von einer schweren Granate getroffen und war darauf total ausgebrannt. Aus den zertrümmerten Mauern guckten nur Sofa und Klavier heraus. Im Hof lagen noch viele tote Franzosen von den Tagen, als das Rgt. nach dem Rückzug von der Marne sich hier wieder festsetzte.

In dieser Stellung wurde Rgt. 86 aber garnicht warm. Schon am 8.10.1914 in aller Frühe wurde das Rgt. 86 durch Rgt. 84 abgelöst. Es zog sich aus den Gräben heraus und marschierte über (Morgen) Blerancourt, Cüts, durch das Oisetal, Noyon, Pimprez nach Dreslincourt. Im hellsten Vollmondschein und wildem Infanteriefeuer lösten die 86 hier die 81. Infanterie Brigade ab. Mit der Landwehr 53, 1½ Pionierkompagnien, 1 Zug Feldartillerie 45 bildeten die 86 die verstärkte Brigade Grapkow. Diese Brigade wurde der neu gebildeten Division Luckwald – und  diese dem 9. Reservekorps zugeteilt.

Das II. Btl., zu dem Johannes Stelzer gehörte, sperrte das Oise-Tal hinter einem kleinen Bächleich, welches der Oise zufloß. Der linke Flügel lehnte sich an das Dorf Pimprez an der Oise; der rechte Flügel an den Bahndamm der Bahn Noyon-Paris.

Am Wärterhaus am Bahndamm lag ebenso wie an der Oise, da Pimprez richtiger am Kanal lag, eine Feldwache des Bataillons. Das Zwischengelände war bis auf den  austragenden Hang nach dem Dorfe Dreslincourt zu, sehr sumpfig und stark mit Büschen bewachsen: also ein ausgezeichnetes Gelände für Patrouillentätigkeit. Der Feind – es waren Franzosen, lag tagsüber im Dorfe Ribécourt. In der Nacht schoben sie Feldwachen aus. Diese legten Posten in kleine Grabenstücke. Es war eben noch kein richtiger Grabenkrieg. Weder die Franzosen noch die Deutschen wußten recht mit den neuen Verhältnissen etwas anzufangen. Das Regiment 86 fand nur bauchtiefe Gräben ohne Unterstände vor. Ein Drahtverhau fehlte ganz. Die Not der Stunde erscheischte aber schleunigste Hilfe. Die Gräben mußten vertieft werden; der Mensch mußte im Erdboden verschwinden. Der Oktober brachte  schwere Regenfälle. Es mußten Unterstände entstehen, damit der Soldat schlafen konnte. Jetzt ging es an die Arbeit. (Wie überhaupt der Soldat bestimmt die halbe Zeit gearbeitet hat – und wie! Ob wir jetzt nochmals freiwillig solch schwere Arbeit wie Im Krieg unter den schlechtesten Umständen überhaupt nochmals beginnen würden?)

Die Unterstände wurden von oben 2-4 meter tief in die Erde hineingegraben. Zuerst wurden  die Balken und Bretter einfach aus den Dörfern Pimprez und Dreslincourt herausgerissen. Die waren aber bald alle. Da mußte die Reserve Kompagnie aus den Wäldern das Holz holen. Überall entstanden Holzsägereien. Aber man sah die Unterstände nicht  als Schutz gegen Granaten an; es waren nur Unterstände für die Schlafzeit. Die Deckung betrug nur ½ m. Bald leckte das Wasser wieder durch. Da hängte man Zeltbahnen unter die Decken und unter die Mitte der Zeltbahnen ein Kochgeschirr, indem das Wasser gesammelt wurde.

Um das Drahthindernis bauen zu können gebrauchte man noch die Hilfe der Pioniere. Zu der Stellung führten Anmarschwege. An diesen standen Wegweiser mit sehr lustigen Inschriften, zum Bsp: Zum Kriegsschauplatz: Hier geht’s zum Schlachtfeld: Ran an den Feind.

Die deutsche Artillerie schoß fast garnicht. Es war die Zeit der schlimmsten Munitionsnot. Niemand vor dem Krieg hatte einen so lang währenden Krieg für möglich gehalten. Jetzt waren alle Munitionsdepots leer und die Fabriken schafften noch nicht den Bedarf. Dem Franzosen erging es nicht so. Ihm standen die Fabriken Amerikas zur Seite. Er pfefferte in das noch bewohnte Pimprez hinein. Ergebnis: 1 Frau und 2 Kinder tot.

In dieser Stellung konnten nun die Kriegsfreiwilligen zeigen was sie konnten. Die Patrouillentätigkeit nahm zu. Am 18.10.1914 griffen in der Nacht die Zuaven an. Johannes Stelzer meldete sich freiwillig auf Horchposten. 3 Mann kletterten um 10 Uhr am Abend hinaus ins Niemandsland. Als die Patrouille etwa 50 meter von den französischen Gräben enfernt war, bekam sie Feuer. Die 3 Mann warfen sich zu Boden und erwiderten das Feuer; dann ging der Angriff über die weg. Auf allen vieren krochen die drei Mann schnell zurück. Nach 3 Stunden langten sie in ihrem Graben wieder an. Einer von den dreien hatte einen Streifschuß.

Wie die Indianer schlechen sich jetzt die jungen Soldaten ins Vorland. Bis nach Ribécourt kommen  sie. Unter Offizierstellvertreter Iversen von der 6. Komp. drückt eine Patrouille bis an den Rand von Ribécourt durch. Sie überrascht eine französische Hausbesatzung die gerade ihr Abendessen verzehrt. Leider können die Franzosen aus der Hintertür entwischen. Die enttäuschte Patrouille errichtet nun in der Stube aus den Möbeln, aus Tischdecke und den Gardinen einen Scheiterhaufen und das ganze Haus bricht in den Flammen zusammen.

So langsam gewinnen nun die jüngeren Soldaten das Vertrauen der Alten und werden nicht mehr als die Kriegsmutwilligen angesehen und behandelt.

Aber schon bricht leider die Unzufriedenheit unter den Mannschaften aus. Der alte Gegensatz zwischen den Einjährigen und den übrigen Mannschaften bricht wieder hervor. Der Vater, Georg Stelzer fragt in einem Brief vor, ob sein Sohn Johannes das eiserne Kreuz habe. Da antwortete Johannes: „Das eiserne Kreuz habe ich nicht Ich will es auch garnicht mehr haben, denn da sind Einjährige, die haben es bekommen und nicht verdient. Ich und zwei meiner Kameraden sind schon 6-7mal auf freiwilliger Patrouille gewesen. Vorgestern Nacht waren wir im französischen Schützengraben. Da standen 2 Maschinengewehre. Wir gingen ungefähr 30-40 meter am Schützengraben entlang und merkten: er war unbesetzt. Schließlich wollten wir mal die Buden im französischen Schützengraben sehen. Ich packte meine Taschenlampe an. Da sahen wir: 5 meter vor uns stand ein Posten, der schlief. In allen Buden schliefen Franzosen. Es war eine Feldwache mit 30-40 Mann. Leise stiegen wir aus dem Graben und geben Feuer auf den Posten  und rückten aus. Es dauerte auch garnicht lange, da bekamen wir von den Franzosen Feuer. Mein bester Kamerad wurde schwer verwundet. Der Einjährige machte seine erste Patrouille, natürlich als Führer. Natürlich hat [er] das eiserne Kreuz gekriegt, mein Kamerad Eisen ins Kreuz. Ich bin gut weggekommen. Der Feldwebel ist vor einer Stunde bei mir gewesen. Ob ich nicht mit 3 Mann auf Patrouille wollte. Ich habe – nein – gesagt. Ich will mein Leben nicht aufs Spiel setzen. Du kannst mir ja ein eisernes Kreuz machen. Ich schicke als Andenken eine französische Blume mit 4 M. Die Blume bitte aufbewahren. Sie kommt aus dem französischen Schützengraben.”

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Ende Oktober wird das II. Batl. durch die Landwehr 52 abgelöst. Das II. Batl. 86 kommt nach Dreslincourt. Dort sollen die Leute Bäume fällen; die Straßen müssen mit Stelzen verkleidet werden, damit der Feind nichts einsehen kann. Auch wird an einem Stauwerkgearbeitet. Das ganze Land soll durch Kanal, Oise und Bach unter Wasser gesetzt werden. Die Arbeiten werden aber bald eingestellt. In Dreslincourt geht es wie in einer garnison zu. Viel Postenschieben. Der schönste Posten ist am Schwarzenstift (Nonnenkloster). Jeder der Posten bekommt von den Schwestern eine heiße Gemüsesuppe und eine Flasche Rotwein: Das ganze Regiment steht in Typhusverdacht. Jedermann muß geimpft werden. Und nun wechselt es ab – Stellung -Dreslincourt.

Am 13. Dez. meldet ein französischer Überläufer, daß ein Angriff bevorsteht. Er wird aber abgewiesen. Johannes Stelzer schreibt: „Doch die 86 stehen fest und wanken nicht, trotzdem wir furchtbares Granat-, gewehr- und Maschinengewehrfeuer kriegten.”

Als Johannes Stelzer gerade einmal auf Posten stand, bekam er ein Paket. Er schreibt: “Die Pfeife mit Tabak habe ich auch erhalten, wozu ich mich besonders freute. Wie ich das Paket erhielt, stand ich gerade auf Posten. Da paßte es ja ganz gut, daß Du die Pfeife schon gestopft hattest, denn da wurde sie natürlich gleich eingeraucht  und hat mir tadellos geschmeckt. Urlaub gibt es nicht, wir werden wohl mit den Franzosen Weihnachten feiern. Aber 1915 sind wir bestimmt zu Haus.“

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Zuerst sah es in der Stellung mit der Verpflegung schlecht aus. Die Küche kam nicht ran. Später aber wurde es recht nett. Jeden dritten Tag kommt die Kantine die alles hat. In Dreslincourt war sogar  eine Konditorei wo es famose Kuchen gab. Johannes Stelzer schreibt: “schmeckt fein!”

Am 17.12.1914 wird die Division Luckwald aufgelöst. In der Nacht 20.-21.12.1914 wird Regt. 86 durch die Regimenter 162 und 163 von der 17. Reserve-Division  abgelöst.

Am 21.12. gibt es schon die Weihnachtspakete. Schwer beladen mit Gepäck und Paketen gings über Chiry nach Noyon, wo das Regt. am Regimentskommandeur Oberstleutnant von Stein, einige Kompagnien sogar am Kommandierenden General vorbeimarschierten. In Noyon gab es einen Tag Rast.

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Von Noyon geht es dann nach Blerancourt. Das II. Btl. hat seine Quartiere 12-15 km hinter der Front in Blerancourt, Camelin und Besmé. In den Kirchen von Blerancourt und Camlin verlebt das Regt. 86 ein schönes und ruhiges Weihnachtsfest. Dann rücken I. und II. Bataillon in Stellung, während das II. Btl. nach Blerancoudelle, bei der Carrière Ferme als Eingreifreserven rückte.

Am 6.1.1915 löste das II. Btl. das III. Btl. vorne in Stellung ab. Der rechte Flügel des Rgt. 86 lag vor der Quennevières Ferme, der linke Flügel stieß südwestlich von Moulin sous Touvent an die 85er. Die Stellung war trostlos geworden. Als die 86 damals im Oktober vor der Ferme lagen, hatte die große Arbeit beginnen sollen. Jetzt lag der Franzose in der Quennevières Ferme – und die deutsche Stellung war ganz verschlammt und versackt. In der ganzen Stellung war kein rechter Wasserabfluß, sodaß Gräben und Unterstände im Wasser ersoffen. Vor der Stellung war kein ordentlicher Drahtverhau, nur einfacher Stolperdraht. Die Munition lag im Wasser – und die Gewehre versackten im Schlamm. Alle Mannschaften blieben im Dreck stecken.

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Für einen Weg von 10 Minuten gebrauchte man 1 Stunde. Da zog man schon lieber die Stiefel aus, sonst verlor man sie unterwegs.

Und dabei lag man vom Franzosen nur 60 meter ab.

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Das Rgt. mußte unter allen Umständen Unterstände und ein neues Drahthindernis bauen. Der Feind konnte die Arbeit in der Nacht hören – und einem solchen Zufallsschuß im Dunkel fiel Johannes Stelzer am 9.1.1915 zum Opfer.

Sein Unteroffizier, Jacob Zimmermann, Jacobsen, aus Linnau, der Bruder von Andreas Jacobsen, Kleinwiehe, schrieb am 9.1 15, daß Johannes beim Unterstandbau verwunddet worden sei. Er war aber sofort tot gewesen.

Jacob Jacobsen schreibt aus Nampcel am 27.1.1915:

“Lieber Georg und Familie. Habe Deinen Brief erhalten und den Kameraden Deinen Dank übermittelt. Sie nehmen alle herzlichst teil an dem Verlust ihres Kameraden und teilen Euren Schmerz. Der Herr Hauptmann machte eine kurze militärische Ansprache. Er sagte ungefähr: Wir stehen hier am Grabe eines jungen Kameraden. Der hat seine Pflicht als junger Krieger und Vaterlandsverteidiger getan. Wir wollen wünschen, daß der liebe Gott seine junge Seele zu sich genommen hat. Unser Kamerad ist den Soldatentod gestorben. Er hat einen schnellen Tod gehabt.“

Er betete mit uns das Vaterunser unter abgenommenen Helm. Er warf die ersten 3 Spaten Erde auf sein Grab. Darauf wir, seine Gruppenkameraden und Freunde alle auch 3 Spaten. Sein Grab wurde gleich mit schönen Einfassungssteinen umrahmt von einem Maurer und einem Steinmetzen.

(Das Grab grub Friedrich Ketelsen, der Neffe von Pastor  Aye, Großenwiehe von ___ bis ___). Ein Grabstein wurde von dem Steinmetz angefertigt mit der Inschrift:

Hier ruht

Füselier

Johannes Stelzer

aus Flensburg

  1. Komp. Füsel. Reg. 86

gef. A. 9. 1. 1915

Der Grabstein hat diese Form und ist sehr sauber gearbeitet.

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Er ist mit 2 Lebensbäumen, 2 Stück hinter dem Stein und 2 Stück vor dem Stein, die aber nach rechts und links ausweichen, bepflanzt. Dann noch mit 5 schönen grünen Gewächsen in der Mitte des Grabes. Der Herr Hauptmann hat schon vor einiger Zeit, vor ungefähr 8 Tagen das Grab fotografiert, und wenn es gleich abgeschickt ist, schätze ich dieses Bild, welches für euch schwer geprüften Eltern wohl ein teures Kleinod werden wird, in Euren Händen.

Unser letztes Zusammensein Wir wurden miteinander bekannt, als ich nach dem 3. Zug versetzt wurde. Ich bekam die Gruppe in der er war. Den Namen Stelzer, da dachte ich mir denn nicht viel dabei, da ich Johannes Von früher kannte. Da bekam ich eines Tages einen Brief mit meiner Firna drauf, welches er sah. Darauf sprachen wir uns gegenseitig aus – und waren die besten Freunde. Wir haben oft miteinander geteilt. Wenn wir Mussestunden hatten, sprachen wir von der Heimat und von Bekannten. Er war ein fröhlicher Kamerad. Alle hatten ihn gerne, auch seine Vorgesetzten. Er sang meistens schon wenn er aufstand. Er war sprach viel von seinen kleinen Geschwistern, von denen er sehr viel hielt. Er freute sich zu Wenigem. Wie war seine Freude groß als er sein Paket bekam an dem Abend bevor er starb.

Leider währte die Freude nicht lang. Am Abend des 8. Rückten wir aus nach dem Schützengraben um Unterkünfte zu bauen für die Leute im Graben. Nachts schießen die Franzosen ja immer aus dem Graben auf uns’re Stellung. Die Kugeln wird man ja gewohnt. Sie schießen ja in die Nacht hinein und es treffen ja wenige. Bei dem Eingraben von oben mußten wir ja einige Zeit im Feuer arbeiten. Bei einem der Schüsse sagte einer sehr aufgeregt: „Helft mir runter, ich bin verwundet!“ Einige der Näherstehenden halfen ihm runter, und während sie ihm runterhelfen, sah ich hin nach dem Lochauswurf und sah einen Kameraden liegen. Es war nämlich dunkel. Ich gehe hin und sehe, da liegt mein Freund Johannes schon tot. Ich nahm ihn  von der Kante herunter in den Graben und lege ihn hin und fühle noch seinen Puls. Aber Gott hatte ihn schon zu sich genommen. Keinen Laut hat er von sich gegeben. Er hat auf dem Aufwurf gesessen und hat sich seitwärts hingelegt. Wie ich hinsah, hatte er einen Schuß in die Schläfe erhalten. Die Krankenträger sagen, er hätte noch einen Schuß ins Herz bekommen. Er hat einen schönen Tod bekommen – alleine ich hätte gerne noch einige Worte mit ihm gesprochen. Der Abschied war zu schnell. Vor Aufregung wurde ich einen Augenblick danach so angegriffen, daß mir schlecht wurde. Wie mir zu Mute war, das könnt ihr euch schon denken. Die Krankenträger wurden gleich geholt, und sie trugen ihn nach unserem Dorf. Er wurde bei mehreren Kameraden, die hier gefallen sind, beerdigt.

Seine Sachen wurden auf die Schreibstube gebracht und ich nehme an, der Feldwebel hat seine Briefschaften und sonstige Kleinigkeiten nach Hause geschickt. Wir dürfen nämlich die Sachen der gefallenen Kameraden nicht anrühren. Das kleine Buch ist von der Kaiserin zu Weihnachten geschenkt worden. (Feldgesangbuch: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein Feldgesangbuch geschenkt von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin zu Weihnachten 1914). Sein Paket wurde an bedürftige Kameraden seiner Gruppe verteilt. Ich spreche im Namen der Gruppe unseren Dank aus. Er bekam an dem nächsten Tage leider noch mehr Pakete, von zu Hause, von seinem Onkel, Paulsen aus Flensburg und von seiner Schwester. Wie hätte der kleine Hannes sich gefreut. Die Pakete werden ja leider nicht zurückgeschickt – sondern auch verteilt. Auch für diese unseren Dank. Ja, lieber Freund Georg, der Tod ist hier unser ständiger Kamerad und man ist keine Minute sicher, trotzdem wir gar keine Schlachten liefern. Wenn doch bald das Ende da wäre. Man weiß jetzt erst den Frieden zu schätzen. Wie sehr wir uns nach unseren Lieben zu Hause sehnen. Wir müssen hier viel entbehren und aushalten. Die Post von der Heimat ist für uns die schönste und einzige Freude. Grüße bitte alle Einwohner von Kleinwiehe die ich kenne; H. K. Hansen besonders.

Wenn Du meine Lieben zu Hause oder meine Eltern sprechen solltest grüße sie bitte. Es grüßen unter herzlicher Teilnahme

Dein Freund

gez. Jakob, Gruppenführer

gez.Johannes Kücke                               gez. Diedrich Hülsen

“ Hugo Conradt                                        “ Kurt Rommelá

“ H. Reimer                                              “ K. Schlundt

“ A. Bögh                                                  “ N. Bögh

“ H. Katsig                                                “ H. Kräeft

“ A. Debkanen                                          “ Curt Frehse

Von der Kompagnie bekam Georg Stelzer folgenden Brief:

Höhle bei Moulins südöstl. Bei Noyen 9.1.1915

Geehrter Herr Stelzer!

Ich muß Ihnen und den Ihrigen leider einen großen Schmerz bereiten, da ich Ihnen mitteilen muß, daß Ihr Sohn Johannes, der bei meiner Kompagnie stand, heute gegen ½ 6 Uhr vormittags im Dunkeln durch einen feindlichen Gewehrschuß getötet wurde. Er war mit den Kameraden seiner Gruppe beim Bauen eines Unterstandes, als das Geschoß, ein Zufallstreffer – ihn ins Herz traf. Er war sofort tot. Heute Morgen um 10:00 vormittags haben wir ihn begraben. Sein Grab wird mit Grün geschmückt und mit einem Grabstein versehen, der seinen Namen trägt. Er liegt in der Reihe der anderen Gräber des Regiments, unterhalb der Höhle, in der unsere Reserven liegen, in einer Mulde, die nach dem Dorfe Moulins führt. Wenn es möglich ist, werde ich sein Grab fotografieren lassen und Ihnen das Bildchen zugehen lassen. Gestern Abend hatte er noch  ein  Weihnachtspaket bekommen und sich sehr darüber gefreut. Ich bitte Ihnen in meinem und meiner Kompagnie Namen unser herzliches Beileid zu dem schweren Verluste aussprechen zu dürfen. Ihr Sohn war ein tüchtiger, tapferer Soldat, der trotz seines zarten Körpers nie ermüdete und immer eifrig und pflichttreu war. Wir betrauern ihn sehr. Die Sachen, die Ihr Sohn bei sich trug, werden Ihnen zugeschickt. Den Inhalt des Paketes haben wir verteilt.

Ihr ergebener Hauptmann Simon

Füs. Rgt. 86

Inhaltsverzeichnis der Sache, welche Ihr Herr Sohn noch bei sich trug: 9.1.1915

1 Taschenmesser; 1 Pfeife; 1 kl. Spiegel; 1 abgetr.Tischmesser; 1 Brotbeutel mit 60 Pfenning deutschem Geld und 25 Centimes; Briefschaften; 1 Uhr hatte er nicht bei sich.

Simon, Hptm.

Gefreiter Schernal aus der 6. Komp. schickte ein Bild des Grabes.

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Eine Karte von Georg Stelzer an ihn kam zurück mit der Aufschrift: Fürs Vaterland gefallen (3.6.1915)

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In der Kirche von Großenwiehe fand die Trauerfeier, veranstaltet von Pastor Aye statt.

Trauerfeier für Johannes Stelzer aus Kleinwiehe, geb. am 1. Juni 1895, gefallen am 9. Januar 1915 als KriegsPsalm 126 v. 5.6. freiwilliger im Regiment „Königin“

Liebe Leidtragende!

Schwer ruht Gottes Hand prüfend  auf uns. Großes Leid hat der Krieg über unser ganzes Volk gebracht. Bitteres Weh ist nun aufs neue auch über uns gekommen. Eine sehr schwere Last hat Gott den armen Eltern und Geschwistern auferlegt, denen er ihren lieben Sohn und treuen Bruder  so früh genommen hat. Ihre Herzen, ihre Gedanken weilen in der Ferne, in dem einsamen Tal im fremden Feindesland am Grabe ihres Lieben, der dort an der Seite vieler Kameraden sanft ruht. Gottes Engel hat ihn mit sanfter Hand hindurchgeführet durch das letzte dunkle Tal des Todes. Wie einen Träumenden hat Gott ihn zu sich genommen. Noch zuletzt am Abend vor seinem Hinscheiden begrüßte er mit großer Freude die Gaben, die die Liebe der Seinen ihm zum trauten Weihnachtsfest in der Ferne geschickt hatte. Da hat es ihn noch einmal so recht getröstet und erfreut, daß die Seinen in so treuer Liebe seiner gedachten. Am Morgen darauf in aller Frühe traf ihn ganz unerwartet das tödliche Geschoß. Ein schneller sanfter Tod führte ihn hinüber in Gottes seliges Reich, den Lohn der Treue zu empfangen. Seine Kameraden, die ihn so sehr liebten, hielten ihm ihre Treue noch über den Tod hinaus. Mit Gottes Wort und Gebet senkten sie ihn hinab zur sanften Ruhe und schmückten sein Grab mit vielen schönen Zeichen der Liebe.

Liebe Leidtragende, groß sind die Hoffnungen, die seine armen Eltern und Geschwister dort mit ihm begraben haben. Sie sehnen sich nach ihm und wissen doch, daß er nun auf Erden nicht mehr sein kann. Der unerbittliche Frosthauch des Krieges ist über die junge hoffnungsvolle Menschen- blüte gekommen und hat sie zu Tode getroffen.

Liebe Leidtragende, freundlich lag das Leben vor dem nun so früh Heimgegangenen. Gottes Segen goß hellen Sonnenschein der Freude und des Friedens aus über alle seine Tage. Von seiner Kindheit an, wo er als ein fröhlicher Knabe seinen Eltern und Lehrern stets Freude bereitete. Während seiner Schulzeit und nach derselben in seiner Lehrzeit und der Zeit seines selbstständigen Arbeitens. Sein Ziel war immer – ein tüchtiger Mensch zu werden und etwas zu leisten. Er glich einem wohl ausgerüsteten Schiff, das sich anschickt, vom heimatlichen Hafen aus  hinaus zu fahren in die Ferne, um dann nach langer Fahrt mit Segen und Erfolg gekrönt wieder heimzufahren.

Und nun ist er nach Gottes Willen in der Ferne geblieben, die armen Seinen und alle, die ihm nahestanden und ihn als ihren treuen Freund liebten, sie können es noch nicht fassen, daß sie ihn nun nicht mehr haben sollen. Sie können doch nicht leben ohne ihn, mit dem sie  in so inniger Liebe verbunden waren.

Liebe Leidtragende; es war Gottes Wille, daß er mit vielen Tausenden seiner Kameraden sein Leben für sein Volk, für seinen Kaiser dahingeben sollte und was Gott tut, das ist wohlgetan.

Laßt uns im Geist hinausschauen auf unsere Felder. Damit wir Brot hätten, zu essen, dazu mußte das Saatkorn in den Acker gesäet werden, es mußte in feuchten Boden erweichen und vergehen. Aber das war nicht das Ende; sondern neues grünes Leben ist aus dem scheinbaren Tode hervorgesproßt und wird, wills Gott, reiche Frucht bringen. Liebe Leidtragende, so ist  der Heldentod des so früh von uns gegangenen Helden und aller die mit ihm ihr Leben im heiligen Kampfe fürs Vaterland gelassen haben, ihr Heldentod ist nicht das Letzte. Aus ihrem Tod erwächst eine herrliche Ernte droben im Himmel. Die irdische Hülle ist abgefallen. Sie selbst aber leben fort in einem neuen verklärten Leibe, in einem neuen ewigen Leben bei ihrem himmlischen Herrn und Erlöser Jesus Christus. Wir unser Herr Jesus Christus selbst, durch schwere Kämpfe und unschuldiges, bitteres Leiden und Sterben hindurchging hin in die Herrlichkeit seines himmlischen Vaters, so auch die treuen Kämpfer, die in treuer, selbstloser Hingabe ihr Leben für  die Ihren, für ihr Wohl gelassen haben. Gott selbst gibt ihnen droben den Lohn für ihre Treue, die sie bis in den Tod bewiesen haben, nämlich die Krone des ewigen Lebens.

Aus dem Heldentode des so früh von uns geschiedenen Helden erwächst eine Ernte voll eweigen Segens für alle die Seinen. Das Herz der Eltern, die sich ihn, das teuerste Kleinod, das sie wohl auf Erden hatten, im Gehorsam gegen Gottes Willen haben abringen müssen, ihr Herz ist fortan aufwärts gerichtet zum Himmel. Sie suchen, was droben ist, wo Christus ist, und bei ihm ist ihr lieber Sohn, den ihnen Gott einst in unvergänglicher Herrlichkeit wiedergeben wird. Und wie sie, so alle die Seinen. Ihr Haus ist nun geheiligt durch das heili- ge Opfer, das sie Gott gebracht haben zum Heil des Vaterlandes. Ihm, der im heiligen Kampf für sie gestorben ist, ihm sollen sie alle gleich sein in gleichem heiligen Eifer und selbstloser Hingabe und Opferwilligkeit. Sein Leben, sein Heldenkampf, sein Heldentod soll für alle der Stern sein, der ihnen im Leben fortan vorangeht und ihnen in jedem Augenblick den rechten Weg zeigt, den Weg eifriger und bis in den Tod getreuer Erfüllung jeglicher Pflichten vor allem der Liebespflicht an den Ihren und an allen Menschen, den Weg, der gerade und sicher durch dies irdische Leben hindurchführt hinauf zum ewigen himmlischen Vaterland.

Liebe Leidtragende, für uns alle, für unser ganzes Volk hat unser lieber Heimgegangener das letzte Opfer gebracht, das er bringen konnte, das Opfer seines Lebens. Er soll uns allen ein Vorbild sein. Wo er sein Leben für die Seinen, fürs Vaterland gelassen hat, da sollen auch wir willig alles daransetzen zum Heil des Vaterlandes. Das Blut des Helden, um den wir trauern und aller derer, die mit ihm im heiligen Kampfe ihr Leben dahingegeben haben, ihr Blut, wenn auch in fernem Feindesland geflossen, es hat den Boden unsers Vaterlandes geheiliget. So ist es nun an uns, den mit teurem Blut geheiligten Boden heilig zu halten durch unsere Treue, durch Treue sich selbstverleugnende Hingabe an alle unsere Lieben, an unser Volk, an Gott und sein heiliges, ewiges Reich.

Zu solcher Treue helfe uns Gott durch seinen Sohn, unsern Herren Jesum Christum. Amen!

Und in die Kirche hängte man den Erinnerungskranz. In der Schleife glänzten Worte:

Johannes Christian

Stelzer

geboren 1. Juni 1895

Kl. Wiehe.

Kriegsfreiwilliger

im Regt. Königin 86

gefallen am 9. Januar 1915

in Frankreich

Moulin

Olof Berg: Klein Wiehe / Lille Vi 1914-1918

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Sønderjyderne og Den store krig 1914 – 1918